1,5 bis 2 Millionen Menschen aus Baden und Württemberg sind in den letzten 300 Jahren in die USA ausgewandert. Für manche wurden Träume wahr, für andere gab es kein Happy End. Mit der Ausstellung „American Dreams. Ein neues Leben in den USA“ erzählt das Haus der Geschichte Baden-Württemberg ihre Lebensschicksale anhand von 32 individuellen Biographien.
Spielwaren „Made in Germany“: Ein kleiner Zirkus steht in der Ausstellungsvitrine: Tiger, Elefant und Giraffe – alle etwa handgroß – tummeln sich in der Manege, ein Clown und ein Akrobat. 1903 war dieser „Humpty-Dumpty-Zirkus“ ein echter Verkaufsschlager in den USA, erzählt Ausstellungsleiter Rainer Schimpf. Der Erfinder Albert Schönhut kam aus Göppingen. Er war in die USA ausgewandert, weil allein sein ältester Bruder das Geschäft der Familie geerbt hatte.
Bilderbuchkarriere: Vom armen Drechsler zum größten Spielzeugfabrikanten
Mit 17 Jahren machte sich der gelernte Drechsler 1866 auf den Weg über den Atlantik und hielt sich zunächst mit der Reparatur von Spielzeugklavieren über Wasser, bis er seine eigenen, sehr viel stabileren Miniklaviere entwickelte. Der Startschuss für eine sensationelle Karriere. 1912 betreibt Schönhut die größte Spielzeugfabrik der Welt. In diesem Fall hat sich der Traum vom schönen, erfolgreichen Leben in Amerika voll erfüllt.
Auf den Spuren der Erfolglosen
Die, die nicht das große Glück fanden, sollten aber dennoch ihren Platz in der Ausstellung finden, obwohl sie in der Regel keine großen Spuren hinterlassen haben. Über ein Protokollbuch der bereits 1764 gegründeten Deutschen Gesellschaft in Amerika, einer Art Hilfsorganisation für Neuankömmlinge, konnte Franziska Dunkel dennoch den ein oder anderen Lebensmoment erhellen, etwa aus dem Leben von Fritz Neumann aus Freiburg, einem Koch, der von der Deutschen Gesellschaft einen Anzug für ein Vorstellungsgespräch bekam.
Und weil der Mann einen guten Eindruck machte, bekam er auch noch 3 Mahlzeiten und 1x Schlafen, heißt es in dem Schreiben der Gesellschaft, die es sich ausdrücklich zur Aufgabe gemacht hatte, nur arbeitsame und redliche Landsleute zu unterstützen.
Was bewegt Menschen, ihre Heimat zu verlassen?
Warum Menschen ihre Heimat verlassen? Diese Frage hinter der Ausstellung könnte aktueller nicht sein, meint die Direktorin vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg Paula Lutum-Lenger: „Da gibt es ja viele Ursachen. Es muss nicht immer – das erleben wir zurzeit – Flucht vor Krieg und Krise sein. Es geht auch in einigen Fällen darum, gerade bei den jüdischen Deutschen das Leben zu retten, das Land zu verlassen, um sein Leben zu retten. Aber es geht auch darum, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen und woanders ihr Glück versuchen wollen.“
Flucht nach der gescheiterten Revolution von 1848/49
Der „American Dream“ – für einen armen Bauernsohn aus Leidringen ging er mit dem Goldfund am Klondike tatsächlich in Erfüllung. Ins Land der Freiheit flüchteten sich nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 viele Liberale aus Baden und Württemberg.
Amerika – für viele das gelobte Land des freien Glaubens
Der radikalpietistische Bäckergehilfe Conrad Beissel aus Eberbach sah für sich in der katholischen Kurpfalz keine Zukunft und schiffte sich 1720 nach Übersee ein. In dem von ihm später gegründeten Kloster führte er ein hartes Regiment: maximal sechs Stunden Schlaf auf einer schmalen Eckbank waren erlaubt. Zum Unterschieben gab es ein Kopfkissen – aus Holz.
32 Lebensgeschichten, viele überraschende Momente versammelt diese Ausstellung, die vor allem auf die Magie der Objekte setzt und sehr dosiert mit Inszenierungen arbeitet. Eine auch ästhetisch sehr gelungene, spannende Spurensuche.
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