Symbolbild Gendersprache: Blatt Papier mit der Überschrift "Gendern"

Keine Einigung in Sicht bei Halbzeitbilanz

Landesregierung RLP streitet übers Gendern in Verwaltungstexten

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AUTOR/IN
Mathias Zahn

Die Landesregierung hat am Donnerstag ihre Halbzeitbilanz vorstellt. Ein Punkt blieb allerdings ausgespart: Das Vorhaben einer gendergerechten Sprachregelung für die Verwaltung. SPD, Grüne und FDP können sich darüber nach SWR-Informationen bislang nicht einigen. 

Im Koalitionsvertrag vom Mai 2021 wird angekündigt, eine gendergerechte Sprache für Behördenschreiben, Formulare und Gesetze einzuführen. Die  Verwaltungsvorschrift dazu soll angepasst werden - mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum dritten Geschlecht. Erklärtes Ziel: "Auch Menschen, die sich nicht den Kategorien Mann oder Frau zuordnen, adäquat anzusprechen beziehungsweise zu benennen."

Arbeitsgruppe zum Thema "Gendern" festgefahren

Ob das Vorhaben umgesetzt wird, ist wohl äußerst fraglich. Eine regierungsinterne Arbeitsgruppe unter Leitung der Staatskanzlei hat sich - so wie es scheint - festgefahren. "Wir können uns nicht einigen", verlautet aus Ampelkreisen. Das Thema war von Anfang an ein Herzensanliegen der Grünen. In der Partei wird etwa der Genderstern selbstverständlich benutzt.

Bislang keine Gendersprache in Amts- und Rechtssprache

Inhaltlich ist die Lage tatsächlich kompliziert und birgt viel Streitpotential. Kurzformen wie das große Binnen-I (PolitikerInnen), der Unterstrich (Politiker_innen) oder der Genderstern (Politiker*innen) werden in der Amts- und Rechtssprache in Rheinland-Pfalz derzeit nicht eingesetzt, teilt die Staatskanzlei mit. Das amtliche Regelwerk biete aber schon heute Möglichkeiten, um die verschiedenen Geschlechter zu bezeichnen wie etwa die Paarform (Bürgerinnen und Bürger). Diese bildet allerdings Menschen mit dem Geschlechtseintrag "divers" nicht ab und bläht Sätze auf. Neutrale Formulierungen ("die Prüfenden" statt "die Prüfer" oder "prüfende Personen") gelten vielen als gewöhnungsbedürftig, teils missverständlich und sind oft keine stilistischen Highlights.

Die Anforderungen sind hoch. Die Staatskanzlei erklärt auf SWR-Anfrage: Das Gebot der sprachlichen Gleichbehandlung der Geschlechter sei ebenso zu beachten wie das Gebot der Klarheit, der Verständlichkeit und der Lesbarkeit.

Gendern weiterhin umstritten

Das Ganze ist schon lange politisch aufgeladen. Seitdem die Ampel das Vorhaben in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, ist der Kulturkampf ums Gendern noch einmal schärfer geworden. Die AfD poltert regelmäßig gegen "Gender-Gaga" und fährt immer höhere Wahlergebnisse ein. In Rheinland-Pfalz bespielt die AfD das Thema seit Jahren mit Anträgen im Landtag. Die Freien Wähler stimmen mit ein. Erst vergangene Woche machten sie das Gendern an Schulen zum Thema.

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Den Ampelpartnern ist das alles nicht entgangen. Es ist kein Gewinnerthema. Positionierungen für das Gendern sind für die Boulevardpresse ein gefundenes Fressen. Es gibt im Moment wichtigere Dinge, heißt es aus Kreisen der Landesregierung. Eine vom SWR befragte Person aus der Ampel sagt sogar: In Zeiten von Kriegen, Krisen und mitten im Wiederaufbau des Ahrtals jetzt das Genderthema hochzuziehen wäre politischer Selbstmord.

Grüne: Gendern sei wichtig, habe derzeit aber keine hohe Priorität

Offiziell äußert sich Natalie Cramme-Hill, die Co-Landesvorsitzende der Grünen. Sie räumt auf SWR-Anfrage ein, dass das Gender-Thema derzeit keine Priorität hat. Es sei den Grünen zwar sehr wichtig, aber in Zeiten von Krieg, Inflation und einer steigenden Zahl von Geflüchteten hätten die Menschen kein Verständnis dafür, wenn sich Politik mit gendergerechter Sprache beschäftigen würde. Das bedeute aber keineswegs, dass das Thema abgehakt sei.

Wer in die Arbeitsgruppe hineinhört, kann einen anderen Eindruck gewinnen. SPD, FDP und selbst die Grünen scheinen mit dem derzeitigen Stand "Wir sind uns einig uns nicht einig zu sein" gut leben zu können. Man will zwar weiter tagen, scheint aber geneigt, das heikle Thema sang- und klanglos zu beerdigen.    

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