Mehrere FFP2-Masken hängen an einem Ständer.

Steigende Corona-Zahlen

Interview mit Heidelberger Virologe Kräusslich: Wird es 2023 einen Corona-Herbst geben?

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INTERVIEW
Holger Neumann
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Janina Hecht

Die Zahl der Corona-Infektionen steigt wieder an - auf niedrigem Niveau. Was das für den Herbst bedeutet, erklärt der Heidelberger Virologe Hans-Georg Kräusslich im SWR-Interview.

Seit einigen Wochen steigt die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen spürbar an, allerdings im Vergleich zu den Vorjahren auf einem sehr niedrigen Niveau. Erwartet uns also ein Corona-Herbst wie in den vergangenen Jahren, mit Masketragen und Einschränkungen? Darüber haben wir mit dem Virologen Professor Hans-Georg Kräusslich vom Heidelberger Uniklinikum gesprochen.

Professor Kräusslich steht an einem Geländer im Universitätsklinikum Heidelberg
Professor Hans-Georg Kräusslich von der Uniklinik Heidelberg.

SWR Aktuell: Herr Kräusslich, sind die Corona-Zahlen im Moment wirklich so niedrig - oder wird vielleicht einfach nur wenig getestet?

Hans-Georg Kräusslich: Ich denke, wir haben deutlich weniger Infektionen als zum Beispiel vor einem Jahr. Aber natürlich testen wir auch weniger, weil die Notwendigkeit ja auch nicht gegeben ist, wenn die Krankheitslast und die Belastung für das Gesundheitssystem nicht übermäßig groß sind. Wenn man sich so die groben Zahlen in Deutschland, Europa und weltweit anschaut, dann ist klar, dass ein leichter Anstieg auf sehr geringem Niveau da ist.

Man sieht auch wieder Patienten mit Corona-Infektionen in den Kliniken seit einigen Wochen, aber ebenfalls in sehr, sehr geringer Zahl. Wäre da also eine erheblich größere Belastung vorhanden, die unter dem Radar liefe, die auch medizinisch bedeutsam wäre, würden wir das ja in den Kliniken stärker sehen.

SWR Aktuell: Es gibt aber viele Menschen, die jetzt fürchten, dass sich die Pandemie im Herbst vielleicht dann doch massiv zurückmelden könnte. Ist das realistisch?

Kräusslich: Für alle Infektionskrankheiten der Atemwege sind Herbst und Winter die eigentliche Saison. Und in diese Reihe der infektiösen Atemwegserkrankungen reiht sich jetzt mit dem Corona-Virus ein weiterer Erreger ein, der sich genauso verhält in gewisser Weise wie all die anderen Erreger.

Das heißt, wir werden zum Herbst und Winter wie jedes Jahr eine Zunahme von Erkältungskrankheiten haben. Das ist so und das wird sich auch nicht vermeiden lassen. Das ist aber etwas, was wir ja gewohnt sind. Und die Frage ist, ob dadurch, durch Corona, die Krankheitslast für das Gesundheitssystem massiv belastet oder erheblich belastet oder überhaupt belastet werden wird. Und da sehen wir im Moment keinen Grund, eine besondere Bedrohung zu sehen.

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SWR Aktuell: Für diesen Monat ist ja der neue angepasste Corona-Impfstoff von BioNTech angekündigt worden. Sollen sich jetzt alle nochmal damit impfen lassen, wenn er da ist?

Kräusslich: Nein, es gibt keinen Grund. Der Immunschutz der Bevölkerung ist relativ gut. Alle Varianten, mit denen wir momentan umgehen und auch die, die am Horizont erkennbar sind, sind immer noch Omikron-Varianten, also das Virus, das seit Anfang 2022 die Situation dominiert hat. Ich denke, die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch- Institut, der STIKO, ist vernünftig: Auffrischungsimpfungen für Personen mit erhöhtem Risiko. Das sind insbesondere Personen mit chronischen Erkrankungen, aber eben auch ältere Menschen sowie Menschen in bestimmten Bereichen, die zum Beispiel im Pflegebereich oder im Klinikbereich einen erhöhten Schutz benötigen.

"Ich denke, die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut, der STIKO, ist vernünftig: Auffrischungsimpfungen für Personen mit erhöhtem Risiko."

SWR Aktuell: Dem Deutschen Hausärzteverband graut es schon jetzt vor der Umsetzung des Impfens. Man befürchtet dort wohl einen "organisatorischen Overkill" in den Arztpraxen. Sind solche Befürchtungen aus Ihrer Sicht berechtigt?

Kräusslich: Was ich gehört habe, ist ein eher logistisches Problem der Lieferung der Spritzen, insbesondere jetzt die BioNTech-Impfung, die wohl an die Praxen in Sechser-Packungen ausgeliefert wird und man nicht immer sechs Impflinge zu dem Zeitpunkt hat, sodass man den Verbrauch schlecht steuern kann.

Die Anzahl der anstehenden Impfungen, wenn wir uns auf die Risikogruppen und die älteren Personen beschränken, ist nicht ein echtes Problem für das Gesundheitssystem aus meiner Sicht. Wir haben ja auch eine durchaus nicht sehr viel andere Impfempfehlung für die Grippe-Impfung, und das geht seit vielen Jahrzehnten gut und wird vom Gesundheitssystem und auch in den Praxen ohne große Probleme durchgeführt. Eine zeitgleiche Impfung mit Influenza und Corona-Impfstoff ist absolut möglich. Ich habe es mir letztes Jahr auch genau so selbst geben lassen. Insofern sehe ich da kein Problem. Wenn, dann wäre es ein logistisches Problem.

"Eine zeitgleiche Impfung mit Influenza und Corona-Impfstoff ist absolut möglich."

SWR Aktuell: Jetzt haben Sie gesagt, Corona muss man mehr im Kontext anderer Erkältungskrankheiten sehen. Aber wäre es im Herbst und Winter vielleicht nicht möglicherweise wieder sinnvoll, trotzdem wieder mit dem Maskentragen anzufangen?

Kräusslich: Wir wissen ja, und die Zahlen und auch die Grafiken dazu sind unglaublich überzeugend, dass die Grippesaison 2021 ausgefallen ist, sie hat nicht stattgefunden. Das hat mit Kontaktbeschränkungen und Masken zu tun gehabt. Das heißt jetzt nicht, dass wir Kontaktbeschränkungen brauchen - brauchen wir nicht. Aber es heißt schon, dass in geballten Räumen in der Wintersaison das Maskentragen eine sinnvolle Maßnahme sein kann. Ob die Menschen das tun wollen und tun werden, kann ich nicht sagen. Aber in der Erkältungssaison bringt das viel. Aber eben nicht nur spezifisch gegen Corona, sondern es hilft auch dabei, dass ich die Virusgrippe - die echte Influenza - oder die sehr unangenehmen anderen Erkältungskrankheiten nicht bekomme. Also: Masken sind weiterhin sinnvoll in der Wintersaison.

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