Die Software "Casablanca" aus Pforzheim ermöglicht bei Videokonferenzen direkten Blickkontakt.

Start-up will Videocalls angenehmer machen

Software aus Pforzheim ermöglicht Blickkontakt bei Videokonferenzen

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Peter Lauber
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Videokonferenzen mit direktem Augenkontakt: Das soll eine in Pforzheim entwickelte Software ermöglichen. Mit "Casablanca" will Erfinder Carsten Kraus jetzt weltweit durchstarten.

Der Name ist Programm: Mit "Schau mir in die Augen, Kleines!" hat Humphrey Bogart im Hollywood-Klassiker "Casablanca" Ingrid Bergman bezirzt. Doch was auf der Leinwand noch geklappt hat, ist heute so gar nicht mehr selbstverständlich. In Zeiten von Video-Calls und Zoom-Konferenzen sind wir es inzwischen gewohnt, dass unser Gesprächspartner überall hinschaut, nur nicht mehr uns in die Augen.

Das geht auch anders, hat sich der Pforzheimer IT-Unternehmer Carsten Kraus gesagt. Er hat eine Software entwickelt, die den direkten Augenkontakt auch dann ermöglicht, wenn man auf den Bildschirm schaut. Wie das funktioniert, zeigt mir Kraus’ Kollege Markus Vollmer.

In einem der Büros des Start-up-Unternehmens in der Pforzheimer Weststadt setze ich mich vor einen Bildschirm. Ich starte mit einem gängigen Programm ein Videogespräch mit einem weiteren Mitarbeiter. Einige wenige Klicks, und "Casablanca" ist aktiviert.

SWR-Reporter Peter Lauber hat die Software getestet:

Ohne Blickkontakt keine Gefühlsregungen erkennbar

Und tatsächlich: mit Blick auf den Bildschirm sehe ich mich selbst wie im Spiegel und meinem Gegenüber direkt in die Augen. Der Unterschied ist größer, als zunächst vermutet. Sobald man das Programm wieder deaktiviert, neigt sich mein Kopf nach unten und der Blick geht nach rechts.

Aus ist’s mit der Kommunikation auf Augenhöhe. Mit direktem Augenkontakt hingegen fühlt sich das Gespräch angenehmer, "normaler" an. Ich höre mein Gegenüber nicht nur, ich sehe auch seine Mimik und erkenne Gefühlsregungen genauso wie Ironie oder Sarkasmus.

Supercomputer mit Millionen sprechenden Menschen gefüttert

Das Programm "Casablanca" korrigiert Blickrichtung und Kopfhaltung. Aber nur dann, wenn ich auf den Bildschirm schaue. Alle anderen Kopfbewegungen bleiben authentisch. Was sich so einfach anhört, kostete fünf Jahre Entwicklungsarbeit mit Hilfe Künstlicher Intelligenz, klärt mich Ivan Alles auf.

Er ist einer der Entwickler der Software. Man habe die KI mit Millionen Videos von sprechenden Gesichtern gefüttert, um ihr beizubringen, wie sich Menschen bewegen. Die natürlichen Kopfbewegungen beizubringen. Benutzt habe man dazu einen Supercomputer, der 150.000 Euro gekostet hat und mehrere tausendmal schneller sei als herkömmliche PCs.

Wir haben den größten Datensatz an sprechenden Köpfen der Welt gesammelt: Um alle Videos anzuschauen, würde man zehn Monate benötigen.

Die KI hinter "Casablanca" wurde mit Millionen Videos von sprechenden Menschen "trainiert".
Die KI hinter "Casablanca" wurde mit Millionen Videos von sprechenden Menschen "trainiert".

Direkter Blickkontakt für Carsten Kraus nicht nur Zusatztool

Der direkte Blickkontakt sei weit mehr als nur ein nettes Zusatztool, ist Erfinder Carsten Kraus überzeugt. Früher, führt er aus, führten Videokonferenzen zu raschem Ermüden. Mediziner sprechen vom "Zoom-Fatigue". Das Phänomen liege Studien zufolge vor allem darin begründet, dass wir unbewusst ständig Augenkontakt herstellen möchten – ohne Erfolg. Auf die Dauer führe das zu Verkrampfungen und Symptomen wie Nacken- und Kopfschmerzen, Aggression, Konzentrationsschwäche und eben Müdigkeit.

Untersuchungen der Yale-University hätten gezeigt, dass mit Blickkontakt die Gehirnaktivität deutlich höher sei. Somit lasse sich auch die Produktivität deutlich steigern, ist Carsten Kraus überzeugt. Casablanca werde die Verständigung zwischen Menschen deutlich verbessern, weil Blickkontakt extrem wichtig für Vertrauen sei.

Entstanden sei die Idee für Casablanca in der Coronazeit, als er plötzlich ganz viele Videokonferenzen gehabt habe, erzählt Carsten Kraus. Das seien nicht mehr dieselben Gespräche wie zuvor gewesen, weil man immer aneinander vorbeigeschaut habe. "Das kann man besser machen", war er überzeugt. Carsten Kraus sammelte IT-Experten wie Ivan Alles um sich und entwickelte "Casablanca".

Software-Entwickler Ivan Alles will den direkten Augentkontakt beim Videocall nicht mehr missen.
Software-Entwickler Ivan Alles will den direkten Augentkontakt beim Videocall nicht mehr missen.

Reduzierte Version der Software bleibt kostenlos

Das Programm ist inzwischen so gut wie marktreif. Als Testversion kann es aktuell noch gratis heruntergeladen werden. Bald soll aber die weltweite Vermarktung starten. Die kommerzielle Version soll sieben Euro im Monat kosten; eine reduzierte, kostenlose Version soll es aber weiterhin geben. Der potenzielle Markt ist riesig: Weltweit nähmen rund 500 Millionen Menschen an Videokonferenzen teil, weiß Carsten Kraus.

Wie werden von Pforzheim aus Videokonferenzen auf der ganzen Welt verändern, sodass man sich damit viel besser fühlt.

Erfinder überzeugt: Videokonferenzen mit Blickkontakt bald Standard

Carsten Kraus zweifelt daher nicht am Erfolg. Er hat auch schon Erfahrung auf dem Gebiet. Als Schüler entwickelte er eine Programmiersprache, die 70-mal schneller war als die, die Atari benutzte. Das Unternehmen kaufte das Programm und nutzte es fortan für alle seine Computer.

Später entwickelte er "Factfinder", eine Suchmaschine für Online-Shops. Heute Marktführer in Europa. Und so meint der Pforzheimer Tüftler denn auch ganz unbescheiden zu seiner neuen Erfindung: "In fünf Jahren werden sich die Leute nur noch dunkel daran erinnern, wie es ohne Blickkontakt in Videocalls war." Und Casablanca sei der Motor dahinter.

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